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Gepostet am 18. Dezember 2023 von  Nicolas Luderer, Consultant bei Severn Consultancy 🕐 5 min Lesezeit

Wie Künstliche Intelligenz (KI) unseren Alltag und den Finanzdienstleistungssektor nachhaltig beeinflusst

Im November 2022 stellte das Unternehmen OpenAI seinen Chatbot ChatGPT erstmals der Öffentlichkeit vor. Spätestens, seitdem hat sich die Art und Weise, wie wir arbeiten und interagieren, grundlegend verändert. KI-Systeme können heute Texte, Bilder und Videos erstellen, oft so täuschend echt, dass wir zweimal hinschauen und hinhören müssen, um zu erkennen, dass es sich um KI-generierte Inhalte handelt. KI-Systeme unterstützen bei der Recherche, dem Schreiben und Optimieren von Code oder der Analyse großer Datenmengen. Künstliche Intelligenz nimmt branchenübergreifend eine immer zentralere Position in der Strategie und zukünftigen Ausrichtung von Unternehmen ein. Eine Entwicklung, die auch vor dem Finanzmarkt nicht Halt macht.

Künstliche Intelligenz im Finanzdienstleistungssektor

2021 gaben in einer von NTT Data durchgeführten Studie unter über 400 befragten Führungskräften im Finanzdienstleistungssektor 81 % an, dass KI ein elementarer Bestandteil ihrer Strategie zur Gewinnung und Bindung von Kunden sei. Einer im Oktober 2023 von EY durchgeführten Studie zufolge, bei der 60 Führungskräfte von börsennotierten und privaten Finanzunternehmen in Europa befragt wurden, erwarten sich über 70 % der Führungskräfte positive Auswirkungen von künstlicher Intelligenz auf die Produktivität ihrer Mitarbeiterschaft. 60 % gaben indes an, innerhalb der letzten sechs bis zwölf Monate Kapital für generative KI bereitgestellt zu haben und sogar 75 % planen im Jahr 2024 die Ausgaben für generative KI zu erhöhen. Künstliche Intelligenz ist voll im Trend. Und das zurecht. Zu groß und vielfältig sind die durch den Einsatz von KI entstehenden Möglichkeiten und Nutzen für Finanzinstitute, Versicherer oder Dienstleister. KI-Systeme werden beispielsweise im Transaction-Monitoring in der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, zur Erkennung von Versicherungsbetrug oder, wie aus einem im Mai 2023 veröffentlichten Bericht der BaFin hervorgeht, in der Kreditvergabe eingesetzt.

Künstliche Intelligenz für das Regulatory Monitoring und Horizon Screening?

Künstliche Intelligenz birgt das Potenzial, viele Prozesse und Dienstleistungen zu optimieren, wenn nicht sogar zu ersetzen. Regupedia-Kunden kennen unser Daily Bulletin, mit dem wir jeden Tag über alle relevanten Veröffentlichungen des Vortags informieren. Um diesen Service zu gewährleisten, screenen wir täglich manuell über 160 Webseiten von regulierungsrelevanten Organen, Aufsichtsbehörden, Verbänden und Organisationen auf deutscher, österreichischer, europäischer und internationaler Ebene (Regulatory Monitoring und Horizon Screening).

Und natürlich fragen auch wir uns: (Wie) können wir KI in diesen Prozess integrieren?

Das Regulatory Monitoring beinhaltet ein Horizon Screening und ist integraler Bestandteil der in den MaRisk (AT 4.4.2.) beschriebenen Compliance-Funktion. Aktualität, Präzision, Vollständigkeit und Konsistenz sind die Kernelemente eines guten Regulatory Monitorings. Doch wie effektiv kann KI in Bezug auf Aktualität, Präzision, Vollständigkeit und Konsistenz sein?

Aktualität

Die Fähigkeit, aktuelle Informationen schnell zu erfassen und zu analysieren, ist entscheidend. Jeden Tag werden Verordnungen, Richtlinien, Leitlinien, Konsultationen, Rundschreiben und viele weitere Dokumente veröffentlicht. Eine tägliche Aufbereitung und Bereitstellung dieser Veröffentlichungen sind essenziell, um den Überblick zu behalten. KI-Systeme ermöglichen eine Erfassung neuer Informationen sogar in Echtzeit und sind hierbei außerordentlich effizient. Zudem können KI-Systeme einfacher skaliert werden und ohne zusätzlichen Mehraufwand beliebig viele Webseiten screenen.

Präzision

Die Präzision beschreibt die Genauigkeit von bereitgestellten Informationen. Diese umfasst sowohl die korrekte Identifizierung relevanter Daten und Veröffentlichungen als auch deren akkurate Interpretation. Damit ist insbesondere der Bezug zwischen neuen Veröffentlichungen und bestehenden gesetzlichen Vorgaben gemeint. KI-Systeme stoßen hier auf Herausforderungen. Obwohl KI große Datensätze und -mengen verarbeiten und daraus Schlüsse ziehen kann, ist ihre Fähigkeit zur präzisen Interpretation kontextabhängiger Informationen begrenzt. Speziell in regulatorischen Texten sind spezifische Terminologien oft entscheidend für Umsetzungsgrad und Handlungsbedarf.

Vollständigkeit

Ein vollständiges Regulatory Monitoring, einschließlich Horizon Screening, erfasst ALLE relevanten Informationen, Daten sowie Trends. So sind neben gesetzlichen Vorgaben auch Konsultationen, Stellungnahmen, Diskussionspapiere, Reden und Interviews relevant, da diese zu einem ganzheitlichen Stimmungsbild beitragen und die Sorgen des Marktes widerspiegeln. Zwar sind KI-Systeme dazu in der Lage große Datenmengen schnell zu verarbeiten, jedoch besteht das Risiko, dass sie nicht immer 100 % vollständige Antworten und Informationen liefern. Insbesondere komplexe, unstrukturierte Daten stellen KI-Systeme vor Herausforderungen. So können Lücken in der Informationsgewinnung entstehen und wichtige Veröffentlichungen nicht beachtet werden.

Konsistenz

Ein konsistentes Regulatory Monitoring stellt sicher, dass die Informationsgewinnung und -analyse über einen langen Zeitraum hinweg eine gleichbleibend hohe Qualität aufweist und verlässlich ist. Dies beinhaltet die Aufrechterhaltung eines standardisierten Ansatzes für das Sammeln und Bewerten von Informationen sowie die kontinuierliche Anpassung und Verbesserung des Screening-Prozesses. Generative KI-Systeme sind darauf ausgelegt, aus Daten zu lernen und sich mit der Zeit zu verbessern. Potenziell ist so eine gleichbleibende Qualität in der Informationsbeschaffung und -aufbereitung sichergestellt. Aufgrund ihrer „lernenden“ Natur sind diese Systeme in dem Output, den sie liefern, jedoch oftmals zu inkonsistent. Was heute eine 100%ige Erfassung ist, kann morgen eine 98%ige und nächste Woche eine 90%ige Erfassung sein. Konsistenz meint die Erfassung ALLER relevanten Informationen zu 100 % über einen langen Zeitraum in gleichbleibend hoher Qualität.

Fazit

Künstliche Intelligenz kann Prozesse in vielen Bereichen effizienter und in einer höheren Qualität gestalten. Zählt dazu auch das Regulatory Monitoring, inklusive Horizon Screening?

Noch nicht.

Zwar sind KI-Systeme dazu in der Lage, Rechtsquellen zu durchsuchen und zu analysieren, und das in einer nie dagewesenen Effizienz und Geschwindigkeit, jedoch kommen aktuell Präzision, Vollständigkeit und Konsistenz zu kurz. Gemäß unseren Erfahrungen mit KI-Webcrawlern -Systemen und verschiedenen Sprachmodellen sind diese, Stand jetzt, nicht dazu imstande, ein 100 % vollständiges Horizon Screening abzubilden beziehungsweise zu gewährleisten. Allerdings wäre es vermessen und naiv zu behaupten und zu denken, dass KI in naher Zukunft nicht auch dazu in der Lage ist. Deshalb beobachten wir permanent den Markt und testen eigene Lösungen für die Nutzung von KI. Bis KI jedoch den von Ihnen und uns gewünschten hohen Qualitätsstandards entspricht, bleibt das Regulatory Monitoring (vorerst) in menschlicher Hand, denn der größte Feind der Qualität ist die Eile.


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