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Gepostet am 11. März 2024 von  Alexander Bahr, Mitglied im Vorstandsstab (Bereich Strategie und Regulatorik) bei der dwpbank; Thorsten Reepen, Projektmanager bei Severn Consultancy 🕐 5 min Lesezeit

Serie zur Retail Investment Strategy der EU-Kommission (Provisionsverbot Teil 2)

In der Fortsetzung des Beitrages zur Retail Investment Strategy wenden wir uns noch einmal dem Provisionsverbot zu. Im zweiten Teil widmet sich Herr Alexander Bahr der detaillierten Betrachtung der Auswirkungen des Provisionsverbots innerhalb der Portfolioverwaltung und dessen Neugestaltung gemäß den Entwürfen der Retail Investment Strategy.


Lesen Sie dazu auch unseren ersten Teil der Serie


Heutiger Fokus

Dabei wird beleuchtet, wie die Änderungen die Vertriebsstrukturen beeinflussen, und welche Konsequenzen sich daraus für beratungsfreie sowie beratungsgebundene Geschäfte ergeben. Im Zentrum steht die Frage, wie das Provisionsverbot die Landschaft der Finanzdienstleistungen verändern kann und welche Herausforderungen zum einen für die Branche und welche Möglichkeiten zum anderen für die Verbraucher entstehen. Es wird untersucht, wie sich die Neuregelungen auf Transparenz, Vermeidung von Interessenkonflikten und Qualität der Anlageberatung auswirken und welche praktischen Folgen sich für die Akteure des Finanzmarktes abzeichnen.

Fachliche Einschätzung von Herrn Bahr

Ungewollte Detailänderung in der Portfolioverwaltung?

Zunächst ein kurzer Blick auf die Portfolioverwaltung. Das bestehende Provisionsverbot erfährt hier eine kleine, aber bedeutsame Modifikation. Nach dem Entwurfswortlaut des Art. 24a Abs. 1 wird es künftig verboten sein, Provisionen zu erhalten oder zu gewähren. Nach dem aktuellen Wortlaut ist nur der Erhalt von Provisionen verboten. Die Provisionszahlung, beispielsweise für die Vermittlung von Kunden der Portfolioverwaltung, ist derzeit erlaubt. Das erscheint mit Blick auf potentielle Interessenkonflikte auch sachgerecht, denn die Provisionsgewährung dürfte den Vermögensverwalter nicht in seinen Pflichten zum Handeln im besten Kundeninteresse berühren und damit nicht interessenkonfliktsträchtig sein. Möglicherweise handelt es sich im Entwurf nur um ein Redaktionsversehen, da die EU-Kommission in den ausführlichen Erläuterungen ausführt, das bestehende Verbot bei einer Portfolioverwaltung werde beibehalten.

Nicht um ein Redaktionsversehen, sondern um eines der Hauptanliegen der EU-Kommission – das wird aus der Erwähnung bereits im dritten Erwägungsgrund klar – handelt es sich hingegen bei dem neu gestalteten Provisionsverbot in Art. 24a Abs. 2.

Provisionsverbot für execution only und beratungsfreie Geschäfte

Mit der Anknüpfung an die Annahme und Übermittlung von Aufträgen bzw. die Ausführung von Aufträgen und zusammen mit der Ausnahme in Absatz 3 sind die Vertriebsformen in den Blick genommen und es kommt künftig darauf an, ob es sich um ein Geschäft mit oder ohne Beratung handelt. Geschäfte ohne Beratung sind zum einen das reine Ausführungsgeschäft (execution only) und zum anderen das beratungsfreie Geschäft, für das zwar keine Beratung, aber eine Angemessenheitsprüfung für den Kundenauftrag erbracht wird. Für beide Vertriebsformen greift das neue Provisionsverbot, weil gemäß Erwägungsgrund 4 nur so mögliche Nachteile für Verbraucher aus Provisionszahlungen für reine Verkäufe ohne Beratung vermieden werden können. Welche Nachteile das sind, bleibt allerdings unklar. Aus Kundensicht ließe sich zwar die Frage stellen, warum man als sogenannter Selbstentscheider über die erworbenen Produkte in gleicher Weise zu den Provisionseinnahmen der Banken und Wertpapierdienstleister beiträgt wie Kunden, die umfangreiche, auf Provisionen gestützte Beratungsangebote nutzen. Die EU-Kommission begründet das Provisionsverbot aber nicht mit etwaig unangemessenen Kosten, sondern weiterhin mit dem Argument der Interessenkonflikte.

So verbleiben für Provisionen nur Geschäfte mit Beratung – bzw. genauer – Geschäfte mit nicht-unabhängiger Beratung, denn in Verbindung mit der unabhängigen Beratung sind Provisionen ohnehin (schon heute) verboten.

Umsatzprovision vs. Bestandsprovision

Nach dem Wortlaut des Entwurfs kommt es darauf an, ob Zahlung bzw. Erhalt der Provisionen bei der Annahme und Übermittlung von Aufträgen bzw. bei der Ausführung von Aufträgen erfolgt. Dabei impliziert „bei“ einen unmittelbaren sachlichen und zeitlichen Zusammenhang von maßgeblicher Wertpapierdienstleistung und Provisionszahlung. Davon erfasst sind zumindest die klassischen Vertriebsprovisionen in Form von Ausgabeaufschlägen und ähnlichen Rückvergütungen, die im Zeitpunkt der Transaktion fließen. Wie aber ist es mit Provisionen, die erst zu einem späteren Zeitpunkt fließen. Insbesondere bei Investmentfonds gehören Provisionen, die regelmäßig während der gesamten Haltedauer des Kunden jährlich wiederkehrend gezahlt werden, zur gängigen Praxis. Hier erfolgt Zahlung bzw. Erhalt nicht „bei“ der Erbringung der maßgeblichen Wertpapierdienstleistung und es ist auch nicht eine Transaktion, sondern ein Bestand Anknüpfungspunkt für die Ermittlung und Zahlung dieser Provisionen, die daher manchmal auch Bestandspflegeprovisionen genannt werden.

Es ist aber leider nicht auszuschließen, dass die EU-Kommission auch diese Provisionen unter dem Verbot des Art. 24a Abs. 2 erfasst sehen will. Auf die Idee kann man schon dann kommen, wenn man sich anstatt Bestandspflegeprovision den ebenfalls gebräuchlichen Begriff der Vertriebsfolgeprovisionen vor Augen führt. Auch in Anbetracht des Umfangs ist schwerlich vorstellbar, dass die EU-Kommission zwar von einem Provisionsverbot spricht, dabei aber einen nicht unerheblichen Teil der Provisionen aus der Betrachtung ausklammert. Denn immerhin machen fortlaufende Provisionen bei den Wertpapierdienstleistern nicht selten einen deutlichen Anteil von einem Drittel und mehr der Provisionseinnahmen aus.

Beratungskennzeichen für Depotbestände

Wenn also auch Bestandsprovisionen unter das Verbot fallen sollten, würden sich einige gewichtige Folgeprobleme in der Praxis ergeben. Denn wer kann heute in seinen Depotsystemen erkennen, ob ein Wertpapierbestand aus einem Geschäft mit Beratung oder einem Geschäft ohne Beratung resultiert? Ohne ein entsprechendes Kennzeichen kann man für den Bestand schwerlich zuordnen, ob dafür in Zukunft Provisionen erhalten werden dürfen oder nicht. Ein solches Kennzeichen gibt es in den bestandsführenden Systemen der Banken/Wertpapierdienstleister nicht. Hier ist also nicht unerheblicher IT-Anpassungsbedarf absehbar.

Derartige Systemanpassungen helfen aber nur für künftige Wertpapiertransaktionen und den daraus resultierenden Wertpapierbeständen. Die nachträgliche Zuordnung eines solchen Kennzeichens zu Wertpapierbeständen, die vorher aufgebaut wurden, wird schwerlich oder gar nicht möglich sein. Damit stellt sich die Frage einer Übergangs- oder Grandfathering-Regeln, die diese Altbestände von dem Provisionsverbot ausnimmt. Eine solche Regelung sieht der Entwurf aber nicht vor. Da das Provisionsverbot auch künftig mit der Vermeidung von Interessenkonflikten begründet wird, erschiene eine Ausnahme für Altbestände durchaus mit dem Grundgedanken vereinbar, denn für die in der Vergangenheit abgeschlossenen Erwerbstransaktionen lässt sich nachträglich keine Veränderung der Begleitumstände mehr bewirken.

Wegfall Qualitätsverbesserung = Wegfall Verwendungsverzeichnis?

Für den verbleibenden Teil erlaubter Provisionen ergibt sich dann erfreulicherweise eine deutliche Erleichterung durch den vollständigen Wegfall des Merkmals der Qualitätsverbesserung. Künftig kommt es für Provisionszahlungen auf eine etwaige Qualitätsverbesserung nicht mehr an. In der Folge würden die Verwendungsverzeichnisse sinnentleert, weshalb die Weiterführung entfallen dürfte. Wenn nicht mehr allen Provisionseinnahmen qualitätsverbessernde Verwendungen gegenübergestellt werden müssen, erübrigt sich das Problem von Provisionsüberhängen und Provisionen können künftig auch Quelle für den Unternehmensgewinn sein.

Für das Merkmal der Qualitätsverbesserung hat sich die EU-Kommission mit dem Best-Interest-Test eine neue Anforderung einfallen lassen. Diese gilt aber für die nicht-unabhängige Beratung allgemein und hat damit nur mittelbare Wirkung auch auf Provisionszahlungen. Mit dem Best-Interest-Test befassen wir uns in einem späteren Beitrag dieser Reihe.


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