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Gepostet am 04. März 2024 von  Alexander Bahr, Mitglied im Vorstandsstab (Bereich Strategie und Regulatorik) bei der dwpbank; Thorsten Reepen, Projektmanager bei Severn Consultancy 🕐 6 min Lesezeit

Serie zur Retail Investment Strategy der EU-Kommission (Provisionsverbot Teil 1)

In unserer kommenden Serie werden wir uns intensiv mit der Retail Investment Strategy der Europäischen Kommission befassen, die auch als Strategie für Kleinanleger in der EU bekannt ist.

Einleitung und historischer Kontext

In dieser Serie werden wir die verschiedenen Aspekte der Retail Investment Strategy beleuchten und mit der sachkundigen Einschätzung unseres Fachexperten Herrn Bahr von der dwpbank kritisch bewerten. Herr Bahr ist seit September 2019 im Vorstandsstab der dwpbank beschäftigt und dort mit sämtlichen Neuerungen aus der Finanzmarktregulierung befasst. Vor seiner Zeit bei der dwpbank verantwortete er die Aufgabenbereiche Recht und Compliance in einer kleinen Frankfurter Kapitalverwaltungsgesellschaft und war davor in der Rechtsabteilung einer Bank mit den Schwerpunkten Investmentrecht und Aufsichtsrecht tätig.

Unser Ziel ist es, mit der Fachkenntnis von Herrn Bahr die komplexen Elemente der Retail-Investmentstrategie deutlich zu machen und deren Einfluss auf den Finanzmarkt zu beurteilen. Dieses Vorhaben erhält zusätzliche Relevanz im Kontext der MiFID II-Regulierungen.

Zwar markieren diese Regulierungen einen Wendepunkt in der EU-Finanzmarktregulierung mit Zielen wie mehr Transparenz und Anlegerschutz, offenbaren jedoch auch Herausforderungen wie hohe Bürokratie und mangelnde Kostentransparenz. Besonders für Kleinanleger, die trotz hoher Sparquoten selten in den Markt investieren, werden die Hürden durch Vorlieben für sichere Bankprodukte, Misstrauen und hohe Kosten sichtbar.

Als Reaktion darauf entstand die Retail Investment Strategy, um Kleinanleger besser zu schützen und fundiertere Anlageentscheidungen zu ermöglichen. Sie enthält wichtige Neuerungen wie strengere Anforderungen an die Kostentransparenz, verbesserte Regelungen gegen irreführendes Marketing und erhöhte Standards für die Qualifikation von Finanzberatern. Offen bleibt, ob diese Änderungen die gewünschten Verbesserungen bringen.

Der heutige Fokus

Im Zentrum unserer heutigen Diskussion steht das Provisionsverbot für u. a. jegliches Nicht-Beratungsgeschäft. Das Provisionsverbot ist ein Aspekt dieser Strategie, welcher weitreichende Implikationen für Investoren und Finanzdienstleister in ganz Europa hat.

Im ersten Teil zu diesem Thema wird Herr Bahr die Grundzüge detaillierter beleuchten, um im zweiten Teil auf die Auswirkungen dieses Verbots im Hinblick auf Qualität der Anlageberatung und die Kosten für die Verbraucher einzugehen.

Eingrenzung

Die Retail Investment Strategy besteht aus einer Änderungsverordnung zur PRIIP-Verordnung und einer sogenannten Omnibusrichtlinie, mit der eine Vielzahl von Richtlinien geändert werden, u. a. die MiFID II. Der Einfachheit halber ist in der Beitragsreihe der MiFID-betreffende Teil dieser Omnibusrichtlinie gemeint, wenn die Retail Investment Strategy Erwähnung findet. Außerdem ist es wichtig zu betonen, dass unsere Analysen und Diskussionen auf den aktuellen Entwürfen dieser Strategie basieren, weshalb unsere Beiträge als vorläufige Einschätzungen zu verstehen sind.

Fachliche Einschätzung von Herrn Bahr

Diskussion im Vorfeld der Retail Investment Strategy

Ein Provisionsverbot war auch im Vorfeld der MiFID II eines der heißest diskutierten Themen, hat es dann 2011 aber nicht in den Richtlinienentwurf und in der Folge nicht in die MiFID II geschafft. Mit Ausnahme des Provisionsverbots in der Portfolioverwaltung und in der regulatorisch neu geschaffenen unabhängigen Anlageberatung. Und auch jetzt im Vorfeld der Retail Investment Strategy hat die EU-Kommission wieder einiges an Gegenwind verspüren müssen, so dass ein komplettes Provisionsverbot erneut keinen Eingang in den Kommissionsvorschlag der Retail Investment Strategy gefunden hat. Aber sie enthält deutlich mehr Verbot als im Status quo der MiFID II.

Aktuelle Rechtslage gemäß MiFID II

Da findet sich ein eingeschränktes Provisionsverbot, das nach dem aktuellen Wortlaut Folgendes erfasst: im Zusammenhang mit einer Wertpapierdienstleistung von einer Dritten Partei erhaltene oder an eine Dritte Partei erbrachte monetäre Vorteile (hierfür finden Gebühren und ebenjene Provisionen Erwähnung im Richtlinientext) und nicht-monetäre Vorteile. Das ist als eine generalklauselartige Grundregel in Art. 24 Abs. 9 MiFID II normiert. Spezielle Ausprägungen finden sich ergänzend für die unabhängige Anlageberatung in Art. 24 Abs. 7, für die Portfolioverwaltung in Art. 24 Abs. 8 und für die Weiterleitung von Kundenaufträgen an Handelsplätze in Art. 27 Abs. 2. Allen gemeinsam ist, dass es Ausprägungen des Grundsatzes zur Vermeidung bzw. Verminderung von Interessenkonflikten sind.

D.h. im Grunde gibt es mit Art. 24 Abs. 9 MiFID II bereits aktuell ein allgemeines Provisionsverbot. Seine Einschränkung erfährt dieses erst durch die am Ende von Satz 1 formulierten Bedingungen („sofern“), so dass man von einem Verbot mit Erlaubnisvorbehalt spricht. D. h. unter bestimmten Bedingungen sind Provisionen eben doch zulässig. Neben der Pflicht zum Handeln im bestmöglichen Kundeninteresse ist das die wohlbekannte Bedingung, dass die Provisionen der Qualitätsverbesserung dienen müssen. Sind diese Bedingungen erfüllt, ist der Erlaubnisvorbehalt erfüllt und die zunächst allgemein verbotenen Provisionen werden insoweit erlaubt.

Die neue Ausgangslage nach der Retail Investment Strategy

Eine derart generalklauselartige Grundregel gibt es im Entwurf der Retail Investment Strategy so nicht mehr. Denn Art. 24 Abs. 9 soll gestrichen werden und an die Stelle eine Neuregelung in Art. 24a Abs. 2 treten, die allerdings zwei bedeutende Einschränkungen erfährt.

Zum einen greift dieses Provisionsverbot nicht mehr in Verbindung mit Wertpapierdienstleistungen allgemein, sondern nur noch in Verbindung mit der Annahme und Übermittlung von Aufträgen von Kleinanlegern. Es wird also ähnlich wie die Verbote für die unabhängige Anlageberatung und für die Portfolioverwaltung zu einer Verbotsnorm für spezifische Wertpapierdienstleistungen. Zum anderen sind nicht mehr Vorteile von oder an jegliche Dritte Partei erfasst, sondern nur noch von oder an Dritte, die für die Schaffung, Entwicklung, Ausgabe oder Konzeption der den Aufträgen der Kleinanleger zugrundeliegenden Finanzinstrumente verantwortlich sind – oder vereinfacht gesagt: den Produktherstellern (der Satzbau in der deutschen Fassung ist umständlich und fehlerhaft übersetzt und vermittelt den Eindruck, der Bezug zu den Produktherstellern betrifft nur nichtmonetäre Vorteile; der Blick in die englische Sprachfassung gibt hier Klarheit). Mit dem Fokus auf Provisionen von Produktherstellern wird eine Abgrenzung zu dem künftig in Art. 39a der MiFIR zu findendem Verbot der Payments for Orderflow geschaffen. In der MiFID II soll Art. 24 Abs. 8 daher konsequenterweise gestrichen werden.

Wenngleich diese Veränderungen den Anwendungsbereich einengen, erfassen sie mit den typischen Produkt-Kickback-Fallgestaltungen gleichwohl den mit großem Abstand bedeutendsten Anwendungsfall im Provisionskontext.

Wegfall des Qualitätsverbesserungsmerkmals

Und noch etwas ändert sich grundlegend, was die Auswirkung des Provisionsverbots massiv ausweitet. Und das ist der im aktuellen Recht bestehende Erlaubnisvorbehalt. Denn genau dieser Erlaubnisvorbehalt fällt weg! Das Merkmal der Qualitätsverbesserung gibt es künftig nicht mehr. Eine Provision, die unter den Tatbestand des Art. 24a Abs. 2 fällt, bleibt verboten, ohne dass die Möglichkeit besteht, durch die Erfüllung zusätzlicher Kriterien im Einzelfall aus dem Verbot wieder herauszufallen.

Unterscheidung nach Geschäften mit und ohne Beratung

Soweit wären wir also im Grunde bei einem kompletten Provisionsverbot. Wie aber eingangs geschrieben, hat die EU-Kommission eben kein komplettes Provisionsverbot in Ihren Vorschlag aufgenommen. Das liegt darin begründet, dass von diesem Verbot eine Ausnahme in Art. 24a Abs. 3 des Entwurfs vorgesehen ist. Demnach soll das Verbot in Art. 24a Abs. 2 nicht gelten, wenn der Auftrag des Kleinanlegers als Anknüpfungspunkt für das Verbot auf einer nicht-unabhängigen Anlageberatung beruht. Der Auftrag des Kleinanlegers und damit die Erwerbstransaktion als Ausgangspunkt der Provisionen wird also mit dem Begleitumstand einer Anlageempfehlung aus nicht-unabhängiger Anlageberatung (ja/nein) verknüpft.

Im Ergebnis soll künftig also ein Provisionsverbot für alle Hersteller-Kickbacks im reinen Ausführungsgeschäft und beratungsfreien Geschäft gelten. Für das (nicht-unabhängige) Beratungsgeschäft werden diese Provisionen erlaubt und das, ohne dass künftig das Qualitätsverbesserungserfordernis als Erlaubnisvorbehalt eingreift. Was das jeweils genau heißt, schauen wir uns im Folgebeitrag an.

Fortführung der Provisionsverbote für Portfolioverwaltung und unabhängige Beratung

Bleibt noch der Blick auf die unabhängige Anlageberatung und die Portfolioverwaltung. Das Provisionsverbot für die unabhängige Anlageberatung bleibt in seiner absoluten Form unverändert bestehen. Und auch das Verbot für die Portfolioverwaltung wird nahezu unverändert in den neuen Art. 24a Abs. 1 überführt, wird nach dem Entwurf aber nicht nur erhaltene, sondern künftig auch gewährte Vorteile umfassen.


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