Feedback

Gepostet am 07. November 2023 von  Thorsten Reepen, Senior Consultant bei Severn Consultancy 🕐 4 min Lesezeit

Auf dem schmalen Grat zwischen Marktregulierung und Praxisrelevanz. MiFID III - Was steht uns da bevor?

Seit drei Jahren wird die bestehende MiFID / MiFIR – Richtlinie (MiFID II) überarbeitet. Dabei soll die finalisierte Version im Jahr 2024 als MiFID III abgeschlossen werden. Zeit zu hinterfragen inwieweit die beiden vorherigen Regularien ihre Ziele erreicht haben.

MiFID I: Revolution oder Reinfall?

Als MiFID I im Jahre 2007 auf den Plan trat, war dies ein bedeutender Schritt in Richtung eines einheitlichen europäischen Finanzmarktes, mit dem klaren Ziel, den Anlegerschutz zu stärken, die Transparenz zu erhöhen und den Wettbewerb zu fördern. Die Erwartungen waren grenzenlos. Hier kam endlich ein Regelwerk, das die europäischen Finanzmärkte revolutionieren sollte. Doch hat MiFID I wirklich geliefert oder war der anvisierte Verbraucherschutz mehr Verbraucherverwirrung?

Die Harmonisierung der Bedingungen für den Wertpapierhandel, sowie der Schutz der Anleger stand ganz oben auf dieser Agenda. Die bereitgestellten Informationen waren allerdings oft zu komplex und umfangreich, was dazu führte, dass sie von den Anlegern nicht richtig verstanden wurden. Statt Klarheit gab es einen Wust an Informationen, der mehr überforderte als zu ermächtigen.

Harmonisierung? Fehlanzeige! Die Schaffung eines einheitlichen europäischen Marktes stellte ein weiteres hochgestecktes Vorhaben von MiFID I dar. Doch die Wirklichkeit sah anders aus. Die Mitgliedsstaaten arbeiteten auf eigene Rechnung und am Ende glich die Regulierungslandschaft eher einem Flickenteppich an Regelungen, der mehr Verwirrung stiftete, als Ordnung schuf.

Während die Richtlinie zweifellos einige positive Veränderungen angestoßen hatte, wurden ihre Schwächen und Unzulänglichkeiten im Laufe der Zeit immer deutlicher. Insgesamt hinterließ MiFID I also gemischte Gefühle. Die Notwendigkeit einer Überarbeitung und Erweiterung der Regelungen mündete schließlich in der Einführung von MiFID II.

MiFID II: Revolutioniert Europas strengste Finanzverordnung den Markt oder erstickt sie Innovationen im Keim?

Die Finanzwelt atmete auf, als MiFID II am 03. Januar 2018 ins Leben gerufen wurde, in der Hoffnung, die Mängel und Unzulänglichkeiten von MiFID I endlich hinter sich zu lassen. Nach der Finanzkrise 2008/09 war die Zielsetzung umso klarer: Die Sünden der Vergangenheit ausbügeln, die Transparenz und Marktinfrastruktur auf ein Neues, “höheres“ Niveau heben und den Anlegerschutz, insbesondere den Privatanlegerschutz, zur obersten Priorität machen. Doch was auf dem Papier gut klang, entpuppte sich in der Praxis als 7.000-seitiges, bürokratisches Ungeheuer. Die umfangreichen und komplexen Vorschriften, die eingeführt wurden, um Transparenz zu schaffen und den Anlegerschutz noch weiter zu stärken, haben paradoxerweise oft das genaue Gegenteil bewirkt. Die Privatanleger, welche durch MiFID II eigentlich gestärkt werden sollten, fühlen sich durch die neuen Regelungen oft im Stich gelassen. Statt eines sicheren und transparenten Marktes erleben sie einen undurchdringlichen bürokratischen Apparat, der eher verwirrt als unterstützt. Einer der Hauptkritikpunkte ist die Informationsflut, die auf die Anleger einprasselt. Statt klarer und verständlicher Informationen stehen die Verbraucher vor einem Berg aus Dokumenten, Berichten und Offenlegungen, die schwer zu durchdringen sind. Die Absicht, die Anleger besser zu informieren, hat paradoxerweise dazu geführt, dass viele sich überfordert fühlen und wichtige Entscheidungen lieber meiden.

MiFID II hat aber auch zweifellos wichtige Impulse für die Verbesserung der Marktinfrastruktur gegeben. Jedoch ging die Einführung mit massiven Investitionen in neue Technologien und Systeme einher, um den Anforderungen der Regulierung gerecht zu werden. Die damit verbundenen Kosten und der bürokratische Aufwand werfen die Frage auf, ob die Balance zwischen Regulierung und Markteffizienz richtig abgestimmt ist. Es hätte eigentlich einer viel kritischeren Auseinandersetzung mit den Auswirkungen der Regulierung bedurft, um sicherzustellen, dass die Ziele von MiFID II nicht von den Kosten und der Komplexität überschattet werden. Nur so kann gewährleistet werden, dass die Marktinfrastruktur tatsächlich transparenter, effizienter und anlegerfreundlicher wird.

Was soll MiFID III besser können als seine beiden Vorgänger?

Die EU hat mit MiFID III die Chance, die Fehler der Vergangenheit wiedergutzumachen und eine Regulierung zu schaffen, die ihrem Namen gerecht wird: Ein klarer, verständlicher und effektiver Schutz für alle Marktteilnehmer. Die Frage, ob MiFID III ein ähnliches “Desaster“ werden könnte, hängt stark davon ab, wie die zukünftigen Regelungen gestaltet und umgesetzt werden.

Es besteht die Hoffnung, dass die Europäische Kommission und andere regulatorische Körperschaften aus den Erfahrungen mit MiFID II gelernt haben und darauf abzielen, potenzielle Fehler oder Unzulänglichkeiten in einem zukünftigen MiFID III-Rahmenwerk zu beheben. Dies könnte beinhalten:

  • Vereinfachung komplexer Regelungen
  • Verbesserung der Kommunikation und Klarstellung von Anforderungen
  • Anpassung der Regelungen, um kleinere Marktteilnehmer und Privatanleger zu berücksichtigen
  • Überarbeitung von Bereichen, in denen die Regelungen unbeabsichtigte negative Auswirkungen hatten

Aktuell liegt seitens der EU-Kommission bereits ein konkreter Vorschlag für MiFIR und MiFID vor. Parallel dazu hat das EU-Parlament im ersten Quartal 2023 eigene Vorschläge für MiFIR und MiFID ausgearbeitet und vorgelegt. Am 16. Dezember 2022 einigte sich dann der EU-Rat auf seine allgemeine Ausrichtung für die vorgeschlagene Verordnung zur Änderung der MiFIR (hier) und die vorgeschlagene Richtlinie zur Änderung der MiFID II (hier). Der Rat erklärt, dass die Prioritäten für diese Überarbeitung von MiFIR und MiFID II darin bestehen, die Transparenz und die Verfügbarkeit von Marktdaten zu verbessern, die Wettbewerbsgleichheit zwischen den Ausführungsplätzen zu erhöhen und sicherzustellen, dass die EU-Marktinfrastrukturen auf internationaler Ebene wettbewerbsfähig bleiben können.

Zurzeit stehen die EU-Entscheidungsträger (Kommission, Rat und Parlament) in Verhandlung, um eine endgültige Einigung über die künftigen Rechtsvorschriften zu erzielen. Auf Basis dieses Entwurfs wird anschließend die finale Fassung ausgearbeitet, die nach ihrer Veröffentlichung als verbindliche Gesetzgebung in Kraft tritt. Die Publikation im offiziellen Amtsblatt ist für das Jahr 2024 anberaumt.

Fazit

Eines steht fest: MiFID II war teuer. Sehr teuer. Die Finanzbranche hat Milliarden in die Umsetzung der neuen Vorschriften investiert, Kosten, die letztlich oft auf die Anleger umgelegt wurden. Doch der erwartete Mehrwert? Der lässt auf sich warten. MiFID II hatte das Potenzial, die Finanzmärkte zu revolutionieren und einen echten Mehrwert für die Verbraucher zu schaffen. Doch in seiner aktuellen Form scheint es eher ein Beispiel dafür zu sein, wie gute Absichten in der Praxis fehlschlagen können, insbesondere wenn die Bedürfnisse derjenigen, die man eigentlich schützen möchte, nicht ausreichend berücksichtigt werden.

Die Frage, die sich nun stellt, ist, ob wir mit MiFID III tatsächlich den großen Befreiungsschlag erleben werden und ob es das leisten kann, woran seine beiden Vorgänger gescheitert sind? Nach den hochfliegenden Ambitionen von MiFID I und den krachenden Realitäten von MiFID II steht nun die nächste Runde an. Doch was soll diesmal anders werden? Kann MiFID III wirklich die Komplexität entschärfen, den Anlegerschutz stärken und die Märkte transparenter gestalten, ohne die Finanzindustrie in ein bürokratisches Chaos zu stürzen? Oder wird es wieder nur ein weiteres Kapitel in der endlosen Saga von gut gemeinten Absichten und unerwünschten Nebenwirkungen sein? Nur die Zeit wird zeigen, ob MiFID III die hohen Erwartungen erfüllen kann oder ob es in den Fußstapfen seiner Vorgänger wandeln und die Frage aufwerfen wird: Wann kommt MiFID IV?

 

 

Unsere Regulatorik- und IT-Experten von Severn unterstützen Sie bei diesem Thema gerne.

Sollten Sie Fragen zu anderen Bereichen haben, zögern Sie nicht uns anzusprechen. Wir bieten Ihnen ein vielseitiges Portfolio an Themen zur Finanzmarktregulatorik. Angefangen bei der MaRisk, über DORA, bis hin zur BAIT. Wir setzen uns intensiv mit den aktuellsten Themen der Finanzbranche auseinander und gehören mit den zu den Ersten, welche diesen Überblick in Form von Checklisten, Whitepapers und Factsheets an unsere Kunden weitergeben. Profitieren Sie von unserer Expertise, falls Sie bei der Interpretaion bestimmter Regularien eine Nachfrage haben. Wir erörtern dann gemeinsam den bestmöglichen Lösungsprozess für Sie.

Gerne steht Ihnen Thorsten Reepen für eine erste Kontaktaufnahme und Fragen zur Verfügung.


Gemeinsam ins Gespräch kommen – Kontaktformular


Login 



Passwort vergessen?

Newsletter abonnieren


















Captcha*

Bitte beachten Sie, dass Sie zur Anmeldung eine dienstliche E-Mail benötigen. Außerdem können wir Anmeldungen von Branchendienstleistern nicht berücksichtigen.