Zweck:
Der Zweck dieser Verordnung ist die Verstärkung der grenzüberschreitenden Verwahrung und Übertragung von Wertpapieren durch die Festlegung klarer Regeln.
Wichtige Eckpunkte:
Errichtung einheitlicher Verpflichtungen
Die wachsende Zahl grenzüberschreitender Abwicklungen infolge der Entwicklung von Verbindungsvereinbarungen zwischen Zentralverwahrern wirft angesichts fehlender Aufsichtsregeln die Frage auf, wie belastbar Zentralverwahrer sind, wenn sie bei den Zentralverwahrern aus anderen Mitgliedstaaten auftretende Risiken importieren. Es ist erforderlich, in einer Verordnung Marktteilnehmern eine Reihe einheitlicher Verpflichtungen im Hinblick auf bestimmte Aspekte des Abwicklungszyklus und der Abwicklungsdisziplin vorzuschreiben und einen Katalog gemeinsamer Anforderungen an Wertpapierliefer- und
-abrechnungssysteme betreibende Zentralverwahrer zu erstellen. Die unmittelbar geltenden Vorschriften einer Verordnung sollen gewährleisten, dass alle Marktteilnehmer und Zentralverwahrer denselben unmittelbar anwendbaren Verpflichtungen, Standards und Regeln unterliegen.
Die Kommission und die ESMA sollen in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedern des ESZB bei der Ausarbeitung technischer Regulierungs- und Durchführungsstandards oder bei Vorschlägen zur Überarbeitung dieser Standards sowie der Leitlinien und Empfehlungen nach dieser Verordnung die Kohärenz mit den bestehenden Standards und deren Weiterentwicklung gewährleisten.
Schaffung von Wettbewerb
Die bestehende Fragmentierung des Marktes entlang nationaler Grenzen ist hinderlich und bringt zusätzliche Risiken und Kosten für die grenzüberschreitende Abwicklung mit sich. Angesichts der Systemrelevanz von Zentralverwahrern sollte der Wettbewerb zwischen ihnen gefördert werden, damit die Marktteilnehmer zwischen Anbietern wählen können und die Abhängigkeit von einem einzelnen Infrastruktur-Anbieter verringert wird. Unter Berücksichtigung der Vorgabe, dass Zentralverwahrer gemeinsamen Anforderungen unterliegen sollen und dass bestehende Behinderungen der grenzüberschreitenden Abwicklung abgebaut werden sollten, sollte es jedem zugelassenen Zentralverwahrer freistehen, Dienstleistungen, im gesamten Hoheitsgebiet der EU, auch durch Gründung einer Zweigniederlassung, zu erbringen. Damit es Zentralverwahrern möglich ist, ihren Teilnehmern Zugang zu anderen Märkten zu bieten, sollen sie berechtigt sein, Teilnehmer an einem anderen Zentralverwahrer zu werden oder einen anderen Zentralverwahrer mit der Entwicklung besonderer Funktionen zu beauftragen, um Zugang zu letzterem zu erhalten. Ein solcher Zugang sollte zu fairen, angemessenen und nicht diskriminierenden Bedingungen gewährt und nur dann abgelehnt werden, wenn dadurch das reibungslose und ordnungsgemäße Funktionieren der Finanzmärkte gefährdet wird oder ein Systemrisiko entsteht.
Vermeidung gescheiterter Abwicklungen
Zentralverwahrer und andere Marktinfrastrukturen sollten Maßnahmen zur Vermeidung gescheiterter Abwicklungen und zum Vorgehen dagegen ergreifen. Es ist von entscheidender Bedeutung, dass solche Regeln in der Europäischen Union einheitlich und unmittelbar angewandt werden. Zu den effizientesten Arten des Vorgehens gegen gescheiterte Abwicklungen gehört es, vorzuschreiben, dass die ursprüngliche Vereinbarung zwangsweise gegen ausfallende Teilnehmer durchgesetzt wird. In dieser Verordnung sollen einheitliche Regeln für Sanktionen und für bestimmte Aspekte des Eindeckungsgeschäfts, wie Zeitpunkt und Preisfestsetzung, für alle übertragbaren Wertpapiere, Geldinstrumente, Anteile an Organismen für gemeinsame Anlagen und Emissionszertifikate festgelegt werden. Die Verfahren und Sanktionen im Zusammenhang mit gescheiterten Abwicklungen sollen dem Umfang und der Schwere eines solchen Scheiterns angemessen und gleichzeitig so gestaffelt sein, dass die Liquidität der jeweiligen Finanzinstrumente erhalten und geschützt wird.
Einleitung von Eindeckungsverfahren
In den meisten Fällen sollte ein Eindeckungsverfahren eingeleitet werden, wenn die Finanzinstrumente nicht innerhalb von vier Tagen nach dem vorgesehen Abwicklungstag geliefert werden. Im Falle von illiquiden Finanzinstrumenten ist es jedoch angemessen, die Zeitspanne vor Einleitung eines Eindeckungsverfahrens auf bis zu sieben Geschäftstage zu verlängern. Weiterhin ist es angemessen, KMU-Wachstumsmärkten die Flexibilität zu gewähren, das Eindeckungsverfahren bis zu 15 Tage nach Abschluss des Geschäfts nicht anzuwenden, um der Liquidität solcher Märkte Rechnung zu tragen und insbesondere Marktpflegern zu ermöglichen, an diesen weniger liquiden Märkten tätig zu sein.
Zuständigkeiten und Kooperation der Aufsichtsbehörden
Mitgliedstaaten sollten die für die Anwendung dieser Verordnung zuständigen Behörden besonders benennen, und diese mit den für die Ausübung ihrer Funktionen nötigen Aufsichts- und Ermittlungsbefugnissen ausstatten. Die Behörde sollte in der Lage und ermächtigt sein, die täglichen Betriebsabläufe der Zentralverwahrer zu untersuchen, regelmäßige Überprüfungen durchzuführen und erforderlichenfalls geeignete Maßnahmen zu ergreifen. Erbringt ein Zentralverwahrer seine Dienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat, so sollte die zuständige Behörde des Aufnahmemitgliedstaats in der Lage sein, bei der zuständigen Behörde des Herkunftsmitgliedstaats sämtlich für sie relevanten Informationen im Zusammenhang mit den Tätigkeiten des Zentralverwahrer anzufordern. Erbring ein Zentralverwahrer seine Dienstleistungen, auch durch Gründung einer Zweigniederlassung, in einem anderen Mitgliedstaat als dem, in dem er seinen Sitz hat, so ist die zuständige Behörde seines Herkunftsmitgliedstaats im Wesentlichen für dessen Beaufsichtigung zuständig.
Definition und Risiken eines Zentralverwahrer
Jede juristische Person, die unter die Definition des Zentralverwahrers fällt, muss vor Aufnahme ihrer Tätigkeit von den zuständigen Behörden zugelassen werden. Unter Berücksichtigung verschiedener Geschäftsmodelle sollte ein Zentralverwahrer unter Bezugnahme auf bestimmte Kerndienstleistungen definiert werden; dies sind die Abwicklungsdienstleistung, die notarielle Dienstleistung und die zentrale Führung von Depotkonten. Damit die Zentralverwahrer keine Risiken bei anderen Tätigkeiten eingehen als solchen, die der Zulassungspflicht gemäß dieser Verordnung unterliegen, sollten die Tätigkeiten der zugelassenen Zentralverwahrer auf die von ihrer Zulassung abgedeckten oder nach dieser Verordnung angezeigten Dienstleistungen beschränkt sein. Zentralverwahrer sollten keine Beteiligung im Sinne der Verordnung halten und auch nicht direkt oder indirekt 20% oder mehr Stimmrechte oder des Kapitals anderer Institute halten als solcher, die ähnliche Dienstleistungen erbringen, es sei denn, eine solche Beteiligung wurde von den zuständigen Behörden der Zentralverwahrer auf der Grundlage gebilligt, dass das Risikoprofil der Zentralverwahrer dadurch wesentlich erhöht wird. Unbeschadet der besonderen Anforderungen des Steuerrechts der Mitgliedstaaten sollte es Zentralverwahrern gestattet sein, Nebendienstleistungen zu erbringen, die zu größerer Sicherheit, Effizienz und Transparenz der Wertpapiermärkte beitragen und keine unangemessenen Risiken für ihre Kerndienstleistungen mit sich bringen.
Ein in einem Drittland niedergelassener Zentralverwahrer sollte seine Dienstleistungen in der Union anbieten können und hierzu auch eine Zentralniederlassung gründen dürfen. Um bei der Erbringung von Zentralverwahrer-Dienstleistungen durch Drittland-Zentralverwahrer ein angemessenes Sicherheitsniveau zu gewährleisten, sollte für diese Zentralverwahrer die Anerkennung durch die ESMA erforderlich sein. Voraussetzung für die Anerkennung durch die ESMA sollte die tatsächlich gleichwertige Anerkennung des aufsichtsrechtlichen Rahmens sein, der für gemäß dieser Verordnung zugelassenen Zentralverwahrer mit Sitz in der Union gilt.
Auslagerung von Diensten
Ein Zentralverwahrer, der beabsichtigt, eine Kerndienstleistung an einen Dritten auszulagern oder eine neue Kerndienstleistung oder eine in dieser Verordnung nicht genannte Nebendienstleistung zu erbringen, ein weiteres Wertpapierliefer- und -abrechnungssystem zu betreiben, eine andere Verrechnungsstelle zu nutzen oder Zentralverwahrer-Verbindungen einzurichten, die mit wesentlichen Risiken verbunden sind, sollte eine Genehmigung beantragen, welche binnen drei Monaten erteilt oder verweigert wird. Zentralverwahrer sollten ihre Dienste auslagern können, sofern die Risiken, die durch entsprechende Auslagerungsvereinbarungen entstehen können, gesteuert werden. Angesichts der Bedeutung der Aufgaben der Zentralverwahrer sollte diese Verordnung festlegen, dass Zentralverwahrer durch die vertragliche Auslagerung von Tätigkeiten an Dritte nicht ihre Verantwortung übertragen. Lagert ein Zentralverwahrer Tätigkeiten an öffentliche Stellen aus, so sollte dies unter bestimmten Voraussetzungen von diesen Vorschriften befreit sein.
Minderung von Kredit- und Liquiditätsrisiken
Die Abwicklung ergänzender Bankdienstleistungen, die Kredit- und Liquiditätsrisiken einschließen, sollten nur von Zentralverwahrern erbracht oder an Stellen ausgelagert werden, die Zentralverwahrertätigkeiten ergänzende Bankdienstleistungen im Sinne dieser Verordnung erbringen dürfen. Anforderungen dieser Verordnung sollten Synergien, die durch die Erbringung von Zentralverwahrer- und Bankdienstleistungen innerhalb einer einzigen Unternehmensgruppe entstehen, nicht entgegenstehen. Zusätzlich zu den Eigenmittelanforderungen der CRR-Verordnung (VO (EU) Nr. 575/2013) und der Richtlinie 2013/36/EU (CRD IV) sollten Kreditinstitute und Zentralverwahrer einer zusätzlichen Eigenkapitalanforderung unterliegen, die die Risiken, wie etwa Kredit- und Liquiditätsrisiken widerspiegeln, die sich aus der Gewährung von Innertagskrediten, unter anderem an die Teilnehmer eines Wertpapierliefer- und -abrechnungssystems oder an andere Nutzer von Zentralverwahrer-Dienstleistung, ergeben.
Aufsicht von Zentralverwahrern
Zur Sicherstellung einer kohärenten Anwendung der Aufsichtsstandards ist es wünschenswert, dass die Bankdienstleistungen von Zentralverwahrern, die aufgrund ihres Umfangs und ihrer Art ein erhebliches Risiko für die Finanzstabilität der Union darstellen, der unmittelbaren Aufsicht durch die EZB unterliegen. Zentralverwahrer sollten spezifischen einheitlichen und unmittelbar geltenden Aufsichts- und Eigenkapitalanforderungen unterliegen, die ihre rechtlichen und operationellen Risiken sowie ihrer Anlagerisiken tatsächlich mindern. Damit die zuständigen Behörden über die Tätigkeiten der Zentralverwahrer wirksame Aufsicht ausüben können, sollten diese strengen Vorschriften hinsichtlich der Aufbewahrung von Aufzeichnungen unterliegen. Zentralverwahrer sollten sämtliche Aufzeichnungen und Daten zu allen Dienstleistungen, die sie erbringen, mindestens zehn Jahre lang aufbewahren.
Sanktionen bei Missachtung der Verordnung
Die zuständigen Behörden sollten auf rasche und geeignete Abhilfemaßnahmen zurückgreifen können, um gegen jede ungerechtfertigte Weigerung von Zentralverwaltern oder Marktinfrastrukuren, Zugang zu ihren Dienstleistungen zu gewähren, vorzugehen. Um eine wirksame Befolgung der Vorschriften dieser Verordnung zu gewährleisten, sollten die zuständigen Behörden verwaltungsrechtliche Sanktionen und andere Maßnahmen anwenden können, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind.
Einbindung der ESMA
Die ESMA sollte eine zentrale Rolle bei der Anwendung dieser Verordnung spielen, indem sie die kohärente Anwendung der Unionsvorschriften durch die national zuständigen Behörden sicherstellt und bei Meinungsverschiedenheiten zwischen diesen die Streitigkeiten beilegt. Weiterhin sollte die ESMA der Kommission Jahresberichte übermitteln, in denen Trends und potenzielle Risiken an den unter diese Verordnung fallenden Märkten bewertet werden. Die ESMA sollte auch innerhalb eines angemessenen Zeitraums vergleichende Analysen ("peer reviews") der Tätigkeiten der zuständigen Behörden im Rahmen dieser Verordnung durchführen. Die ESMA erarbeitet zudem Entwürfe technischer Regulierungs- und Durchführungsstandards (RTS, ITS), welche der Kommission vorgelegt werden.
Hintergrund:
Zentralverwahrer tragen zusammen mit zentralen Gegenparteien in hohem Maße zur Aufrechterhaltung von Nachhandels-Infrastrukturen bei, die die Finanzmärkte sichern und Marktteilnehmer darauf vertrauen lassen, dass Wertpapiergeschäfte - auch in Zeiten extremer Belastungen - ordnungsgemäß und pünktlich durchgeführt werden.