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Gepostet am 21. Februar 2020 von  Pia Streicher, Consultant bei ORO Services GmbH in Compliance/Riskmanagement Regularien

Was lange währt, wird endlich… ja, was denn eigentlich?

Seit über drei Jahren zieht sich der Prozess des Austritts des Vereinigten Königreichs aus der EU (sog. Brexit). Womit viele nach zahlreichen Verschiebungen und Diskussionen schon fast nicht mehr gerechnet haben, ist am 31. Januar 2020 passiert: Das UK hat die Union verlassen und ist seit dem 1. Februar 2020 Drittland. Aber ist der langwierige Prozess damit wirklich zu einem Ende gekommen oder steht der große Schlag für die Finanzdienstleister erst noch bevor?

 

Das Ende einer Ära

 

Nachdem im Juni 2016 im Rahmen des Brexit Referendums knapp über die Hälfte der Abstimmenden im UK für einen Austritt aus der EU plädierte, hat Theresa May den Worten im März 2017 Taten folgen lassen und offiziell das Austrittsverfahren nach Art. 50 EUV ins Rollen gebracht. Seit Juni 2017 haben die EU 27 und das UK eine Vielzahl von Verhandlungsrunden durchlaufen und die eigentlich zweijährige Frist des Art. 50 EUV wiederholt verlängert. Eine Zeit lang war der Brexit und die Angst vor dem sogenannten harten Brexit – also ein Brexit ohne Austrittsübereinkommen – besonders in der Finanzbranche deutlich spürbar. Im Oktober 2019 schien das Ganze seinem Höhepunkt entgegen zu laufen, doch mit der Fristverlängerung flaute die Aufregung ab. Und dann wurde es ruhig um den Brexit.

Aufgrund der vielen Fristverlängerungen rechnete man schon gar nicht mehr damit, dass Ende Januar mehr passieren könnte als eine erneute Verlängerung. Doch je näher das Fristende rückte, umso klarer wurde auch, dass es wohl doch noch zu einem Brexit kommen würde – und der ging ganz leise von statten.

 

Alles ist anders – aber geändert hat sich nichts

Mit dem 31. Januar 2020 ist das UK aus der EU ausgeschieden und hat seitdem den Status eines Drittlandes. Also doch, was lange währt, wird endlich gut?

Tatsächlich sind die befürchteten Auswirkungen des Brexit auf die Finanzbranche vorerst denkbar gering. Im Austrittsübereinkommen ist ein Übergangszeitraum vereinbart, der bis Jahresende laufen wird und – wer hätte es gedacht – der verlängerbar ist. Bis Ende Juni 2020 kann eine Verlängerung des Übergangszeitraums um bis zu zwei Jahre vereinbart werden. Die Lektüre des vierten Teils des Abkommens erklärt, wieso Akteure am Finanzmarkt trotz Brexit kaum etwas davon spüren: Auf der einen Seite gilt das Unionsrecht weiterhin im und für das UK und entfaltet die gleichen Rechtswirkungen wie in den EU 27-Staaten. Auch die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der EU behalten ihre Befugnisse gegenüber dem UK. Auf der anderen Seite gilt das Parlament des UK nicht mehr als nationales Parlament eines Mitgliedstaats und das UK verliert seine institutionellen Rechte sowie das Recht zur Vorlage von Vorschlägen, Initiativen und Anträgen.

Das ist natürlich nicht alles, was das Abkommen regelt. Daneben wird festgehalten, wie das UK und die EU 27 künftig miteinander verhandeln wollen, wie die Rechte der Bürger gewahrt und wie die finanziellen Themen gehandhabt werden sollen. Auch bezüglich Irland, Zypern und Gibraltar werden Vorgaben vereinbart.

 

Was lange währt, wird endlich… weniger dramatisch als erwartet?

Der Status quo nach dem vollzogenen Brexit ist weit weniger dramatisch als von vielen Finanzmarktteilnehmern befürchtet. Obwohl das UK offiziell nicht mehr zur Europäischen Union gehört und als Drittland kategorisiert wird, spürt man davon auf dem Finanzmarkt sehr wenig. Ein bisschen mag sich der ein oder andere fühlen wie im Auge des Sturms – es ist einfach schwer zu glauben, dass nach all der Aufregung, die uns die letzten Jahre zum Thema Brexit begleitet hat und nach all den Aufwänden, die hineingeflossen sind, das gefürchtete Ereignis so nahtlos in die Realität übergeht.

Sieht man aber genauer hin, ist das Ereignis in Wahrheit noch gar nicht so real wie es erscheinen mag: Ein Übergangszeitraum hat seinen Anfang genommen; was an dessen Ende stehen wird, ist schwer absehbar. Die EU konnte sich mit dem UK auf manche grundlegenden Regeln für das künftige Verhältnis einigen, nichtsdestotrotz steht der „richtige“ Brexit noch aus. Dieser erwartet uns nämlich erst dann, wenn der Übergangszeitraum endet und das UK nicht mehr teilweise wie ein Mitglied der EU behandelt wird. Dann nämlich wird sich zeigen was passiert, wenn die sorgfältig erarbeiteten Richtlinien, Verordnungen und übrigen Rechtsakte der EU nicht mehr greifen und sich ein neues Verhältnis zwischen den Parteien bewähren muss.

Trotz der entspannten Atmosphäre können sich die Akteure am Finanzmarkt daher nicht zurücklehnen: Das Ende des Übergangszeitraums kommt bestimmt und erfordert ein gewisses Mindestmaß an Vorbereitung. Wenn die Vergangenheit eines gezeigt hat, dann dass alles Verhandeln nicht unbedingt zu einem Ergebnis führt. Gerade für Finanzmarktteilnehmer wird der Brexit aller Wahrscheinlichkeit nach deutlich spürbar sein, wenn das UK seinen aktuellen „Sonderstatus“ verliert, die EU wirklich und endgültig verlässt und die Mitgliedstaaten nur noch wenig Einfluss auf die Entwicklungen im UK haben. Entsprechend ist die Ruhe mit Vorsicht zu genießen.

Auch weiterhin unterstützen wir Sie gerne dabei, den Überblick über den Regulierungsdschungel zu behalten und halten Sie bezüglich der weiteren Entwicklungen beim Brexit auf dem Laufenden. Gerne erreichen Sie uns über unser Kontaktformular, per Mail oder telefonisch unter +49 (0)69 / 950 900-0.


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