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Gepostet am 10. Juli 2017 von  Mariya Atanasova, Senior Consultant bei ORO Services GmbH in Regularien

Mistrade-Fall landet vor dem Landgericht Frankfurt

Im Oktober 2017 wird das Landgericht Frankfurt über eine Streitigkeit zwischen einem freien Wertpapierhändler und einer französischen Bank entscheiden. Dieser Fall dürfte in der Branche Aufsehen erregen:

Der Händler kaufte am Freitag, den 8. Dezember 2015, 3000 Zertifikate zum Preis von jeweils 108 Euro, insgesamt 326.000 Euro. Am darauffolgenden Montag belief sich der Preis des Zertifikats auf 54.000 Euro, das bedeutet, der Händler war um 163 Millionen reicher geworden. Der Händler möchte jetzt den Wert der Zertifikate in Höhe von 163 Millionen Euro ausgezahlt bekommen. Die Bank beruft sich darauf, dass der Preis falsch angegeben war und dies für den Händler offensichtlich war.

Der Fachbegriff für den vorliegenden Fall heißt "Mistrade", das heißt, ein Geschäft kommt zu einem offensichtlich nicht gerechten Marktpreis zustande. Handelt es sich um OTC-Derivate, also solche, die außerbörslich gehandelt haben, steht es jedem Händler frei, mit seinem Emittenten eine Mistrade-Regelung zu treffen. Bei diesem außerbörslichen Handel finden aber Regelungen, die den Regelungen des börsenmäßigen Handels ähnlich sind, Anwendung. Zum Beispiel hat der Vertragspartner im Fall eines Mistrades ein Aufhebungsrecht innerhalb einer bestimmten Frist. Bei Geschäften, die an der Frankfurter Wertpapierbörse gehandelt werden, richtet sich dies nach den Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse und nach den Bestimmungen der Börsenordnung. Daher lohnt sich ein Blick auf die aktualisierten Mistrade-Regelungen der Frankfurter Wertpapierbörse vom 26.06.2017.

Das Verfahren und die Voraussetzungen für die Aufhebung von Geschäften wegen eines Mistrades sind im Dritten Abschnitt, § 23 - § 28 der Bedingungen für Geschäfte an der Frankfurter Wertpapierbörse geregelt . Die nachfolgend erwähnten Paragraphen stammen hieraus. Der Mistrade-Fall ist in § 23 geregelt. Die Aufhebung des Geschäfts aufgrund eines Mistrades kann auf Antrag gem. § 24 oder gem. § 29 von Amts wegen, also ohne Antrag, erfolgen.

I. Aufhebung auf Antrag

Gem. §24 I S.1 ist der Mistrade-Antrag an die Geschäftsführung zu stellen. Die Antragsberechtigten sind in § 24 I S.2 aufgezählt. Die Frist, in der der Mistrade - Antrag gestellt werden muss, hängt von der Art des Geschäfts ab:

- Bei einem Geschäft in Wertpapieren, die in der Fortlaufenden Auktion gehandelt werden innerhalb von zwei Handelsstunden nach Zugang der Geschäftsbestätigung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 (§ 24 II S.1);

- Soweit bei Geschäften in anderen Wertpapieren als strukturierten Produkten, die in der fortlaufenden Auktion gehandelt werden, die Antragsfrist gemäß Satz 1 nach Ende der Handelszeit eines Börsentages endet, spätestens eine halbe Stunde nach Ende der Handelszeit (§24 II S.2);

- Bei Geschäften in Wertpapieren, die im fortlaufenden Handel mit untertägigen Auktionen oder in der Auktion gehandelt werden, innerhalb von 10 Minuten nach Zugang der Geschäftsbestätigung (§ 24 III S. 1).

Die Antragsstellung kann schriftlich, in elektronischer Form oder per Fax erfolgen (§ 24 II und III) und muss inhaltlich die Mindestangaben von § 24 IV erfüllen. Bei telefonischer Antragsstellung müssen die erforderlichen Angaben gem. §24 IV innerhalb einer Stunde nach Ende der Antragsfrist gem. §24 II S.1 nachgereicht werden, ansonsten gilt der Antrag als zurückgenommen. Die Fälle, in denen ein Mistrade-Antrag unzulässig sind, regelt §24 V.

Materielle Voraussetzung für die Aufhebung des Geschäft ist der offensichtlich nicht marktgerechte Preis, zu den das Geschäft zustande gekommen ist (§23 S.1 Nr.1). Das Ermittlungsverfahren und die Kriterien, nach denen die Geschäftsführung feststellt, ob das Geschäft zu einem offensichtlich nicht gerechten Marktpreis gekommen ist, sind in § 25 - § 28 geregelt. In diesen Vorschriften werden auch Indizien festgelegt, deren Vorliegen zu der sicheren Annahme eines Geschäfts zu einem nicht gerechten Marktpreis führt.

II. Aufhebung von Amts wegen

Die Aufhebung eines Geschäfts ohne Antrag ist in § 29 geregelt. Das ist insbesondere bei einer fehlerhaften Preisfeststellung gem. § 29 I S.1 und auch bei einem Mistrade - Fall ohne Antrag (§29 II Nr.1).

Insgesamt steht fest, dass diese detaillierte Regelungen und insbesondere die Fristen zur Antragsstellung die Sicherheit des Rechtsverkehrs und den funktionierende Handel mit Wertpapieren gewährleisten. Aus demselben Grund sind zivilrechtliche Ansprüche und insbesondere das Anfechtungsrecht (§32) nach dem Bürgerlichen Gesetzbuchs ausgeschlossen. In dem vor dem LG Frankfurt strittigen Fall ist es fraglich, ob die Bank die Frist zur Stellung des Mistrade-Antrags verstreichen ließ und den Fehler tatsächlich nicht bemerken sollte. Insbesondere beruft sich die Bank darauf, dass der Fehler für den Händler offensichtlich war.

Der Fall sorgt derzeit für Aufregung, da Mistrades selten vorkommen und schnell auf Antrag aufgehoben werden. Das Besondere ist, dass die Bank in diesem Fall in keiner Weise im Hinblick auf eine Annullierung tätig geworden ist.

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