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Gepostet am 31. August 2018 von  Katrin Jastrau, Senior Consultant bei ORO Services GmbH in Veranstaltungen

Bankengipfel 2018: Zwischen Tradition und Disruption

Auf dem Handelsblatt-Bankengipfel 2018 in Frankfurt am Main diskutierten zahlreiche Fachleute über die Zukunft der Branche. Zu den großen Herausforderungen zählten sie die zunehmende Digitalisierung, den Brexit, Green Finance und nicht zuletzt den spürbaren Regulierungsdruck. Doch in einem waren sich alle einig: Die Bedürfnisse der Bankkundschaft sollten im Mittelpunkt aller Veränderungsprozesse stehen.

Glaubt man Christian Sewing, so wird sich auch in Zukunft an der wichtigsten Rolle der Banken nichts ändern. Wie der CEO der Deutschen Bank auf dem Branchengipfel Ende August 2018 ausführte, fungieren Kreditinstitute in erster Linie als Risikomanager ihrer Kunden - diese Beziehungen, die auf Vertrauen basieren, seien vor dem Umfeld wirtschaftlicher und politischer Umbrüche noch bedeutender als vorher. Kompetente und zuverlässige Banken sind im digitalen Zeitalter also keineswegs überflüssig. Allerdings sei es unrealistisch zu glauben, dass ein Anbieter alleine alle Produkte anbieten könne, weshalb die Deutsche Bank stark auf die Zusammenarbeit mit anderen Dienstleistern, inklusive FinTechs und Wettbewerber, setze. Nach Ansicht des CEO brauche Europa aber nicht möglichst viele, sondern vor allem starke Banken. Voraussetzung hierfür ist eine globale Kapitalmarktpräsenz, denn jeder Firmenkunde, ob Mittelständler oder Dax-Konzern, benötige Expertise im Investmentbanking, so Sewing.

Bankenverband fordert Regulierungscheck

"Wir brauchen profitable Banken, so wie wir sie in den USA und Frankreich sehen", forderte auch Hans-Walter Peters, Präsident des Bundesverbands deutscher Banken (BdB) und Sprecher der Privatbank Berenberg. Um dieses Ziel zu erreichen, sei in jedem Fall ein Regulierungscheck nötig. Die Institute müssten heute eine Unmenge an Zeit und Ressourcen in eine Flut an kleinteiligen Regulierungsanforderungen stecken - für Peters ein untragbarer Zustand. Als Beispiel führte er MiFID II an: einer repräsentativen Umfrage des Bankenverbandes zufolge seien heute schon 86 Prozent der Kunden, die Wertpapiergeschäfte tätigen, mit ihrem Vermögensberater zufrieden bzw. sehr zufrieden. Der Mehraufwand, der durch die Umsetzung der MiFID II-Vorgaben für Berater und Kunden entsteht, ist nach Einschätzung des Verbandspräsidenten kontraproduktiv. Er appellierte daher an die Regulatoren, die Überarbeitung der Regelwerke zügig anzugehen. Nach Peters' Ansicht liegen die Chancen der deutschen Banken in einem europäischen Finanzbinnenmarkt - dieser gleiche aber aktuell eher einem rechtlichen und regulatorischen Flickenteppich.

Wettbewerbsfaktor: Regionale Präsenz

Vor diesem Hintergrund ist Deutschland laut Helmut Schleweis, Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV), trotzdem gut aufgestellt. "Deutschland hat im internationalen Vergleich einen der stabilsten und leistungsfähigsten Finanzmärkte", so Schleweis. Der zahlenmäßig größte Teil der heimischen Kunden benötige vor allem leistungsfähige dezentrale kreditwirtschaftliche Verbünde, die kundennah und vor Ort Verantwortung übernehmen könnten. Die regionale Stärke der Sparkassen, die für Schleweis in einer hohen Bindungs- und Integrationskraft liegt, sieht er als eine der wichtigsten künftigen Aufgaben der Branche, die auf lange Sicht Vorrang vor kurzfristiger betriebswirtschaftlicher Optimierung habe.

Auch die Volksbanken und Raiffeisenbanken richten sich laut Marija Kollak an den Bedürfnissen ihrer Kunden vor Ort aus. Daher sieht die Präsidentin des Bundesverbandes Deutscher Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) in der Digitalisierung an sich keinen Wert. Sie eröffne zwar Neugeschäftsmöglichkeiten, es komme allerdings vielmehr darauf an, was die Kunden wollen und wie deren Bedarf gedeckt werden kann.

Die moderne Technologie werde die Art und Weise, wie Banken arbeiten, grundlegend verändern, betonte Stuart Graham, Partner von Autonomous Research LLP. Allerdings können deutsche Banken seiner Meinung nach nicht gut mit dem Wandel umgehen, da viele Institute den Großteil ihrer Einnahmen aus Zinsergebnissen erzielen, was im andauernden Niedrigzins-Umfeld schwierig ist. Ein Ausgleich der fehlenden Zinserträge durch das Provisionsergebnis sieht Stuart durch die wachsende Konkurrenz aus Fintech-Unternehmen gefährdet.

Technologischer Fortschritt: Entscheider in der Pflicht

Währenddessen sieht Bundesfinanzminister Olaf Scholz Unternehmen und Gesetzgeber in der Pflicht, sich auch mit neuen Technologien auseinanderzusetzen. "Es wäre fatal, wenn sich Gesetzgeber und Regulatoren nicht gut genug auskennen, so dass sich die neuen Technologien nicht entfalten können, weil wir zu langsam sind", so der Minister. Analog hierzu sieht er auch Unternehmenslenker in der Pflicht, Veränderungen im IT-Bereich nicht nur den Experten zu überlassen, sondern diese auch zu verstehen und in ihren Unternehmenslandschaften zu etablieren. Daran anknüpfend appellierte auch Prof. Dr. Axel Weber, Präsident des Verwaltungsrats der UBS, an die Banken "auf einen fahrenden Zug aufzuspringen, der eine hohe Dynamik hat". Allerdings stellte er auch klar, dass der technologische Fortschritt nicht überbewertet werden sollte. Das traditionelle Bankgeschäft werde nach wie vor bedeutend sein.

Vom Nischen- zum Mainstreamprodukt

Eine der größten Herausforderungen des Bankensektors sieht der ehemalige Präsident der Deutschen Bundesbank in der Schaffung und Etablierung nachhaltiger Investitionen. Er fordert eine systematische Integration der sog. ESG-Faktoren (Environmental, Social, Governance) in die Analyse der Investitions- und Anlageprozesse. Dabei steht für Weber fest: Nachhaltigkeit sollte nicht zu Lasten von Finanzerträgen generiert werden. Der Bedarf sei in jedem Fall da, nun gelte es, standardisierte Produkte, aussagekräftige Benchmarks und effiziente Sicherungsinstrumente zu etablieren. "Wir brauchen die Schubkraft der Finanzindustrie, um das Thema Nachhaltigkeit auszubauen", bekräftigte der Finanzmarktexperte. Ziel sei es, aus dem Nischen- ein Mainstream-Produkt zu machen. Die Europäische Kommission hatte hierzu bereits im Mai 2018 ein Maßnahmenpaket mit dem Ziel, mehr privates Kapital in nachhaltige Investitionen zu lenken, vorbereitet (zum Steckbrief).

Hoher Regulierungsbedarf im Zuge des Brexit

Als die große Unbekannte in naher Zukunft kamen die Fachleute natürlich auch auf den bevorstehenden Austritt Großbritanniens aus der EU und den damit verbundenen Veränderungen für den Finanzsektor zu sprechen. "Der Brexit ist für uns alle eine einmalige Herausforderungen - und bleibt es hoffentlich auch", betonte BaFin-Präsident Felix Hufeld. Für den Weg in die Post-Brexit-Welt gebe es noch kein Handbuch; gefragt sei jetzt ein hohes Maß an Flexibilität seitens der Aufsicht. Im Dialog mit den europäischen Aufsichtsbehörden und der EZB würde die BaFin Schritt für Schritt ihre Vorgaben präzisieren und die aufsichtlichen Anforderungen weiter konkretisieren. Die großen Häuser haben sich laut Hufeld bereits gut auf die unterschiedlichen Szenarien im Kontext des Brexit vorbereitet. Kleineren und mittleren Institute fehlen seiner Einschätzung nach allerdings häufig die notwendigen Ressourcen, um sich auf alle Szenarien optimal vorzubereiten.

Der bevorstehende Brexit zwingt in Großbritannien angesiedelte Banken, eine Präsenz in Europa aufzubauen, um künftig Finanzdienstleistungen in der EU anzubieten. Derzeit bearbeitet die BaFin mehr als 25 Anträge von Finanzinstituten aus dem Ausland für eine Banklizenz in Deutschland. Für den BaFin-Präsidenten steht fest: "Wir werden als Standort Deutschland profitieren, aber wir dürfen es in den Jahren danach nicht verspielen". Gefragt sind alle - Aufsicht, Gesetzgeber und allen voran natürlich die Finanzinstitute. Und eins ist gewiss: Auf dem kommenden Bankengipfel im September 2019 werden die Folgen des Brexit und die damit verbundenen Regulierungsvorgaben ganz oben auf der Agenda stehen. 

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